Korrosion an Edelstahl-Rohrleitungen
Christian Schmidt
Erhöhte Chloridwerte im
Trinkwasser
Im Jahr 1994 lieferte eine Kommune an eine
neu errichtete Klinik Wasser, welches den nach der Trinkwasserverordnung zulässigen
Chloridwert überschritt. Einige Monate nach der Erstflutung der Rohre zeigten
sich am gesamten Rohrleitungsnetz aus Edelstahl erhebliche Korrosionsschäden.
Besonders betroffen waren die Verbindungsstücke.
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Schadenbild |
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Edelstahl gilt in der Trinkwasserinstallation nach wie vor als Werkstoff, der nicht korrodiert. Allerdings bezieht sich das bei den meisten Produkten ausdrücklich nur auf Bereiche des Trinkwassers, die den Werten der Trinkwasserverordnung entsprechen. Im vorliegenden Fall wurden diese Werte bei Weitem überschritten. Die Wasserinstallation aus dem Werkstoff Edelstahl wurde deshalb im gesamten Objekt erheblich angegriffen. |
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Korrosion und Edelstahl
Die Korrosionsbeständigkeit des Edelstahls
beruht auf der Bildung einer sehr dünnen Passivschicht an seiner Oberfläche.
Voraussetzung für eine Korrosion ist damit die Zerstörung dieser Passivschicht.
Darüber hinaus ist die Korrosionsbeständigkeit
abhängig von der Oberfläche – je glatter und homogener diese ist, desto höher
ist die Beständigkeit gegen korrosiven Angriff. Insbesondere durch Einschlüsse
oder Ablagerungen, z.B. eingepresste Rost- oder Staubteilchen aus der Verarbeitung,
kann es zu örtlicher Korrosion kommen, die schnell um sich greift. Bei der
Lochfraßkorrosion wird die Passivschicht nur an speziellen Punkten durchbrochen.
Als Folge entstehen auf der Oberfläche Grübchen oder Löcher. Lochfraß wird
im Wesentlichen durch Halogen-Ionen, vor allem Chlorid-lonen im Wasser, verursacht. Die weitere Erhöhung
des Chromgehalts, insbesondere durch Zusatz von Molybdän und zum Teil von
Stickstoff, kann die Beständigkeit der nicht rostenden Stähle gegenüber Lochkorrosion
deutlich erhöhen. Die Lochfraßkorrosion von Edelstahl sollte nicht unterschätzt
werden; sie kann in Wasser- und Abwasserbereichen mit hohen Konzentrationen
an Chlorid-lonen verstärkt auftreten.
Schaden
Die Klinik wurde 1994 in Betrieb genommen.
Bereits zu Beginn des Jahres 1995 traten erste Schäden durch Korrosion an
der Trinkwasser- und Löschwasserinstallation auf (Bild 1).
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Bild
1: Lochkorrosion in Edelstahlleitung.
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Insgesamt entstanden von Mitte 1995 bis Anfang
2003 64 korrosionsbedingte Schäden.
Die gesamte Installation ist aus nicht rostendem
Edelstahl (Cr-Ni-Stahl 1.4401) gefertigt. Die Verbindungen der kleineren Nennweiten
(bis DN54) sind mit einem Pressfittingsystem, die größeren Nennweiten mit
einem Kupplungssystem oder als Schweißverbindungen ausgeführt.
In umfangreichen Untersuchungen wurde als
Ursache für die Korrosionsschäden die zeitweilige Einspeisung von stark chloridhaltigem
Leitungswasser durch den örtlichen Wasserversorger ermittelt, das nicht den
Anforderungen der Trinkwasserverordnung (TrinkwV
2001) mit einem Grenzwert des Chloridgehalts von 250 mg/l entsprach. Es wurden
hier Chloridgehalte von teilweise über 400 mg/l im Mischwasser und bis zu
800 mg/l aus Tiefbrunnenwasser eines einzelnen Brunnens gemessen.
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Chlorid wird im täglichen Leben mit Kochsalz aufgenommen, das chemisch aus Natrium und Chlorid besteht. Der Mensch benötigt Chlorid zur Unterstützung der Stoffwechselfunktionen. Der Grenzwert für Chlorid liegt daher nicht in toxikologischen Gesichtspunkten begründet – er soll die Korrosion verhindern. |
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Obwohl die Chloridgehalte im Trinkwasser
bereits 1995 auf zulässige Werte reduziert wurden und zusätzlich eine Wasseraufbereitungsanlage
in der Klinik in Betrieb genommen wurde, traten immer wieder korrosionsbedingte
Leitungswasserschäden auf.
In der Zustandsbeschreibung der Wasserinstallation
vom August 2003 wurde festgehalten, dass die Rohre innenseitig kaum geschädigt
sind, die Verbindungen jedoch sehr stark. Daraus konnte man schließen, dass
alle Rohrleitungen und Verbindungen gleichermaßen betroffen sind.
Die Ergebnisse einer weiteren Untersuchung
durch das IFS (Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung) in Kiel
ergaben ein noch ungünstigeres Bild für den Zustand der Pressverbindungen
in den Zimmerinstallationen als die ersten Gutachten.
Von den untersuchten Verbindungen wiesen fast
50 % außenseitig Merkmale eines geringen Wasseraustritts auf, der auf Korrosion
im Inneren zurückzuführen war. Bei näherer Betrachtung wurde klar: Mehr als
zwei Drittel der Verbindungen im Pressfittingbereich waren durch lokale Korrosion
vorgeschädigt (Bild 2).
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Bild
2: |
Die ermittelten Zahlen ließen sich mit sehr
großer Wahrscheinlichkeit auf das Gesamtsystem übertragen, da die untersuchten
Asservate nach dem Zufallsprinzip aus der Installation entnommen worden waren
und keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden konnten.
Rechtslage
Die Klage der Klinik gegen die Kommune auf
Zahlung der im vorangegangenen Beweissicherungsverfahren geschätzten Austauschkosten
für die Installation sowie auf Feststellung bezüglich weiter gehender Schäden
wurde vom LG Coburg in seinem Urteil vom 22.6.1999 (12 0 81/98) in erster
Instanz als rechtlich unbegründet zurückgewiesen.
Demgegenüber hat das OLG Bamberg (12 0 81/98)
in seinem Berufungsurteil vom 23.2.2001 entschieden, dass die Beklagte der
Klägerin dem Grunde nach den Schaden zu ersetzen hat, der dieser im Zusammenhang
mit der Lieferung von stark chloridhaltigem Wasser an den Warm- und Kaltwasserleitungen
sowie Feuerlöschleitungen der Klinik entstanden ist. Das Gericht sieht eine
schuldhafte Pflichtverletzung darin, dass die Beklagte eine ihr im September
1994 zur Kenntnis gebrachte Analyse mit einer weit über dem Höchstwert der
Trinkwasserversorgung liegenden Chloridbelastung von 387 mg/l im Mischwasser
aus dem Tiefbrunnen nicht zum Anlass genommen hat, die Klägerin unmittelbar
und zeitnah zu informieren und aufzuklären. Dies sei als Verletzung einer
vertraglichen Nebenpflicht des Wasserlieferungsvertrages zu sehen. Mögliche
mitwirkende material-, bau- und ausführungstechnische Umstände wurden letztinstanzlich
als nachrangig und als nicht kausal schadenursächlich verworfen.
Daher stimmte die Haftpflichtversicherung
der Kommune einem Gesamtaustausch der Installation zu. Die Austauschkosten
sowie die erheblichen Baunebenkosten der 300-Betten-Klinik mit mehreren Gebäudeteilen
einschließlich Gewinnausfall wurden unter Vorlage einer detaillierten Kostenzusammenstellung
mit mehreren Millionen € beziffert. Nach entsprechender Überprüfung der geltend
gemachten Positionen erfolgte zwischenzeitlich eine Einigung zwischen den
Parteien im Rahmen eines Gesamtabfindungsvergleiches.
Christian Schmidt,
Versicherungskammer Bayern,
Risk-Management