Neue Berufsausbildungsverordnung liegt vor

EDGAR KALMBACH / FRIEDRICH HÖTTECKE

Knapp 12 Monate nach Beginn der Arbeiten zur Schaffung der neuen Ausbildungsverordnung liegt unsere Endfassung nun vor. Im Vergleich zu anderen Vorhaben kann man dabei durchaus von "Turbotempo" sprechen. Wir Sachverständige sind der Meinung, dass unsere Arbeit gut geraten ist und sich sehen lassen kann. Selbstverständlich ist es uns auch gelungen, die Berufsbezeichnung einvernehmlich neu zu ordnen: Der neue Beruf wird Anlagenmechaniker für Gebäude- und Energietechnik heißen.

Im ersten Teil des Berichts über die Entstehung der neuen Ausbildungsverordnung (IKZ Nr.) hatten wir beschrieben, dass der Verordnungsgeber (das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) und das Bundesinstitut für Berufsbildung die Sachverständigen auf das Konsensprinzip verpflichtet hatten. Die Bedeutung dieser Festlegung ist klar: Es sollte und konnte nicht zu Mehrheitsentscheidungen kommen, sondern es wurde bis zur Einstimmigkeit verhandelt. Über fast jedes Detail wurde gerungen, oft auch gestritten. Wohl denen, die über die richtige Streitkultur verfügen. Trotzdem oder gerade deswegen haben wir uns immer wieder vertragen, was auch für die weitere Arbeit erforderlich war.

Außerdem: Die einmal nach dem Konsensprinzip beschlossenen gemeinsamen Ergebnisse müssen in der Zukunft von allen Sachverständigen nach außen hin vertreten werden, gleichgültig, ob man in bestimmten Detailfragen für oder ob man gegen das jetzt vorliegende Ergebnis war.   

Was ist neu an der Neuordnung?

Neu ist natürlich die Berufsbezeichnung:

Vom „Installateur für Gas und Wasser“ und „(Er)Bauer von Zentralheizungs- und Lüftungsanlagen“ zum „Mechaniker für die Anlagen der Gebäudetechnik bzw. Energietechnik“. Die viele Jahrzehnte alten Berufsbezeichnungen waren nach unserer Meinung nicht mehr passend als Hülle für die neuen Inhalte. In der Gesellschaft sind sie zudem eher negativ besetzt und daher nicht geeignet für einen neuen Beruf mit dermaßen hohem Innovationsanteil.

Eine moderne, „griffige“ Berufsbezeichnung ist sicher wichtig bei einem neuen Beruf, schon um junge Leute auf der Suche nach Berufsorientierung eine attraktive Alternative zu anderen Berufen zu bieten. Doch wichtiger noch als die Bezeichnung sind die Inhalte der neuen Berufsverordnung, und die stecken im Verordnungstext und in dessen Anhang, dem Ausbildungsrahmenplan. Im Folgenden sollen die neuen Inhalte skizzenhaft in zwei Teilen heraus gestellt werden: Teil 1 beschreibt, was neu ist am Verordnungstext und der 2. Teil zeigt auf, was an den Inhalten des Ausbildungsrahmenplans neu ist.

1. Neues im Verordnungstext

Paragraph 4 des Verordnungstexts führt das Ausbildungsberufsbild auf und dort finden sich die ersten Neuerungen:

Ziffer 7 benennt das Qualitätsmanagement (QM) als völlig neue Dimension beruflicher Erstausbildung. Nicht, das wir nicht schon immer auf gute Qualität der Arbeit geachtet hätten, doch hier geht es darum, den Auszubildenden im Lernort Betrieb und in den überbetrieblichen Lehrgängen – auch diese sind übrigens einvernehmlich beschlossen worden - systematisch an die Prinzipien des QM heran zu führen. Es geht darum, die Kompetenz zur Reflexion eigener und fremder Arbeit zu entwickeln und damit zur kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsvorgänge beizutragen.

Kundenorientierung als weitere wesentliche Neuerung zieht sich durch die gesamte Verordnung – ist geradezu Prinzip. Der Bezug ist klar: Anlagenmechaniker für Gebäude- und Energietechnik ist ein moderner Dienstleisterberuf, der ohne ständige Bezüge zum Kunden, der bekanntlich König ist, nicht erfolgreich sein kann! Und genau das muss vermittelt werden.

Bei der Findung der Ausbildungsinhalte haben wir uns vom Berufskonzept leiten lassen. Das bedeutet, die Anforderungen, die die tägliche gegenwärtige und auch die zukünftige Berufspraxis an den Gesellen stellt, sind in den Lernorten des dualen Berufsbildungssystems zu vermitteln und in den Prüfungen nachzuweisen. Wobei die zukünftigen Anforderungen des Berufs von uns natürlich nur extrapoliert werden konnten. Doch da wir die vom Gesellen zu beherrschenden Endqualifikationen stets produkt- und prozessneutral beschrieben haben, kann die vorliegende Verordnung sicherlich wieder 12 bis 15 Jahre gelten. Dann wird sie vermutlich von den eingetretenen Innovationsschüben in Technik und Gesellschaft ein- oder sogar überholt worden sein und steht selbst zur Erneuerung an.

Wir haben uns bei der Aufstellung der Qualifizierungsziele außerdem daran orientiert, dass die Auszubildenden zum Ende ihrer Ausbildungszeit – spätestens beim Ablegen ihrer Gesellenprüfung – mindestens in der Lage sein sollen, in einem Ein- oder Zweifamilienhaus die komplette versorgungstechnische Anlage zu installieren und instand zu halten. Das bedeutet, den Auszubildenden sind zusätzlich zu den ohnehin zu lehrenden neuen Inhalte auch noch die erforderlichen Berufserfahrungen zu vermitteln! Berufliche Erfahrungen sammelt man bekanntlich nur, wenn man die zu erlernenden Qualifikationen selbst ausführen darf (Handlungsorientierung) und auch die erforderlichen Üb- und Wiederholphasen durchführen kann (Redundanz).

Bei der knappen  Ausbildungszeit von 182 Wochen brutto – das macht lediglich etwa 90 bis 100 Wochen netto – bedeutet das, dass kein Tag, eigentlich keine Stunde  mit ausbildungsfremden oder Routinearbeiten oder reinen Helferarbeiten vergeudet werden darf. Nutznießer einer stringenten, eng am Ausbildungsrahmenplan orientierten  Berufsausbildung ist in erster Linie der Betrieb selbst. Wir wissen, dass ein gut ausgebildeter Lehrling sich bereits ab dem 2. Ausbildungsjahr betriebswirtschaftlich rechnet und zur betrieblichen Wertschöpfung beiträgt.

Nach § 6 des Verordnungstextes ist vom Ausbilder für jeden Lehrling ein individueller Ausbildungsplan unter Zugrundelegung des Ausbildungsrahmenplans zu erstellen.  Wenn Ausbildungsbetriebe zu Recht geltend machen, dass der Ausbildungsrahmenplan nicht 1:1 umgesetzt werden kann, da die anfallenden Arbeiten sich ja nach den jeweiligen Aufträgen richten, dann bietet sich nach § 5 die Möglichkeit zur abweichenden sachlichen und zeitlichen Gliederung. Das betrifft aber nicht die inhaltliche Ausgestaltung. Die ist verbindlich vorgeschrieben und stellt außerdem noch den Mindeststandard dar [§ 4 (1)]. Der Betrieb kann also mehr vermitteln als im Ausbildungsrahmenplan steht oder mehr überbetriebliche Kurse als die obligatorischen für seinen Lehrling buchen, jedoch nicht weniger.

Neu im Ausbildungsberufsbild (in Ziffer 22) und natürlich ebenso in den Inhalten ist das Eingehen auf die unterschiedlichen Handlungsfelder, in denen die Betriebe der gesamten Branche tätig sind. Nach unserer Meinung sind das die vier Bereiche

Wassertechnik
Lufttechnik
Wärmetechnik und
Umwelttechnik / erneuerbare Energien

Ausdrücklich sollte der neue Beruf ja ein Monoberuf sein, also ohne irgendwelche Schwerpunkte wie Sanitär, Heizung oder Lüftung. Das heißt, wir Sachverständige mussten inhaltlich dafür sorgen, dass auch solche Betriebe ausbilden können, die nicht das gesamte versorgungstechnische Spektrum abdecken, sondern nur in zwei oder gar nur einem der beruflichen Handlungsfelder tätig sind. Das oder die Handlungsfelder, in dem der Betrieb tätig ist und den Lehrling ausbilden möchte, wird vom Betrieb festgelegt und wird sicherlich im Ausbildungsvertrag zu fixieren sein. Denn auf dieses berufliche Handlungsfeld (oder bei mehreren) wird schließlich auch die Gesellenprüfung abgestellt sein – davon später mehr. Der Betrieb kann auch andere als die vier von uns genannten Handlungsfelder wählen, wenn die zu vermittelnden Qualifikationen in Breite und Tiefe gleichwertig sind. Wenn sich in Zukunft also markt- oder innovationsbedingt für die Branche andere, neue Handlungsfelder auftun, dann bietet die Verordnung bereits heute die Möglichkeit, auf diese Veränderungen angemessen reagieren zu können.

Neu sind die Prüfungen

Völlig neu gestaltet ist die Zwischenprüfung (§ 8) und die Abschlussprüfung / Gesellenprüfung ( 9). Erklärtes Ziel ist die Prüfung der Berufsfähigkeit des angehenden Gesellen

Zwischenprüfung: Abgeprüft werden die in den ersten drei Ausbildungshalbjahren zu vermittelnden Qualifikationen. Um eine bessere Orientierung zu ermöglichen, weist die Zeitspalte des Ausbildungsrahmenplans für das 2. Ausbildungsjahr eine senkrechte Teilung auf: Der linke Teil wird mit in die Zwischenprüfung einbezogen, der rechte Teil erst in der Abschlussprüfung. Der Prüfling soll in höchstens 8 (Zeit)Stunden eine Arbeitsaufgabe durchführen sowie innerhalb dieser Zeit hierüber ein Fachgespräch von höchstens 15 Minuten führen. Die Arbeitsaufgabe soll einem Kundenauftrag entsprechen; es könnte im Idealfall auch durchaus ein realer Kundenauftrag sein. Auf jeden Fall darf die Prüfungsaufgabe nicht das Anfertigen von wunderlich oder kunstvoll geformten Rohrverbiegungsstücken umfassen, die lediglich deshalb anzufertigen sind, weil das Prüfungsaufgaben-Erstellungskomittee glaubt, alle Arbeitstechniken daran abprüfen zu können. Text und Geist der neuen Verordnung sagen und meinen etwas anderes: Anfertigen und Prüfen eines funktionsfähigen Bauteils oder einer Baugruppe nach technischen Unterlagen durch maschinelles und manuelles Bearbeiten, Fügen und Montieren einschließlich elektrischem Verdrahten. Wobei der Schwerpunkt auf „funktionsfähig“ liegt – das Ergebnis der gestellten Arbeitsaufgabe muss funktionieren, also eine Aufgabe erfüllen. Und das bedeutet in letzter Konsequenz, das Ergebnis muss dem Kunden verkaufbar sein, kann also kein Edelschrott sein, der doch irgendwann einmal in der Schrottkiste landet, weil er keine Funktion besitzt. Denn vergessen wir nicht, was das Oberziel der gesamten Ausbildung ist: Das ist die zu erwerbende Berufsfähigkeit der jungen Leute. Was nichts anderes bedeutet, als dass sie lernen müssen, kundenverwertbare Arbeiten zu verrichten! Und diese Berufsfähigkeit ist selbstverständlich in den beiden Prüfungen nachzuweisen.
Zu diesem Nachweis dient in besonderem Maß auch das Fachgespräch, bei dem die Prüflinge zeigen sollen, dass sie fachliche Probleme und deren Lösungen präsentieren gelernt haben und dass ihnen die Hintergründe sowie die Vorgehensweise bei der Lösung der gestellten Fachaufgabe klar ist.

Im Gespräch mit dem Verordnungsgeber gelang es uns Sachverständigen (bisher) nicht, die Zwischenprüfung als ersten Teil der Berufsfähigkeitsprüfung - anders ausgedrückt: Berufseingangsprüfung - einzurichten. Diese Rolle bleibt nach gegenwärtigem Stand weiterhin ausschließlich der Abschlussprüfung / Gesellenprüfung vorbehalten. Aus dieser Doppelbezeichnung mag noch einmal deutlich werden, dass es gelungen ist, sowohl Handwerk als auch Industrie unter einen Deckel zu bringen, was Ausbildungsinhalte und Prüfungsbestimmungen angeht.
Obwohl also die Zwischenprüfung nicht als Teilleistung in die Bewertung der Gesellenprüfung mit eingeht, sind wir der festen Überzeugung, dass die Zwischenprüfung genau so ernst genommen werden muss wie die Abschlussprüfung. Es darf in Zukunft nicht mehr heißen: "Ist ja nur die Zwischenprüfung, kommt nicht so drauf an o.ä."! Wenn die Zwischenprüfung am Berufsalltag, an der Praxis ausgerichtet wird, was ja durch den Kundenauftrag erreicht werden soll, dann ist sie ein hervorragender Indikator dafür, ob die bisherige Ausbildung gut war oder ob sie weniger gut war. Und das heraus zu bekommen ist schließlich ihre Aufgabe.

Abschlussprüfung / Gesellenprüfung

Auch hier sind erhebliche Neuerungen erforderlich gewesen. Die strikte Trennung in Schriftliche Prüfung und Praktische Prüfung ist aufgegeben worden zugunsten einer Aufteilung in Prüfungsteil A und Teil B. Dies soll zeigen, dass die beiden Teile auf einander bezogen sind.

Es war uns leider nicht möglich, eine so genannte Integrierte Prüfung in die Verordnung einzubringen, was ja bedeutet hätte, es gibt eigentlich nur eine Prüfung mit einer Prüfungsaufgabe, die sowohl die praktischen als auch die berufstheoretischen Anteile enthält, weil diese sich gegenseitig bedingen.

Doch auch mit der Aufteilung in A und B sind wir einer praxisgerechten Prüfung – d.h. einer Prüfung, die ein Stück reale berufliche Praxis des jungen Gesellen widerspiegeln soll - ein gutes Stück näher gekommen.

Teil A: Es gilt, in höchstens 19 (Zeit)Stunden eine Arbeitsaufgabe zu bearbeiten und zu dokumentieren. Diese Arbeitsaufgabe soll einem Kundenauftrag entsprechen bzw. kann ein realer Kundenauftrag sein. In Betracht für den Kundenauftrag kommt das Errichten einer neuen Anlage oder das Ändern einer bestehenden oder das Instandhalten einer bestehenden versorgungstechnischen Anlage. Innerhalb der Prüfungszeit ist über die Arbeitsaufgabe ein Fachgespräch zu führen. Es soll höchstens 20 Minuten dauern und dient dazu, ob der Prüfling die für die Arbeitsaufgabe wesentlichen fachlichen Hintergründe aufzeigen und begründen kann. Für den Prüfling, aber auch für die Prüfungsaufgabenerstellungsausschüsse  dürfte interessant sein, dass seine Arbeitsaufgabe aus dem beruflichen Handlungsfeld gewählt werden soll, in dem er überwiegend ausgebildet wurde. Neu ist außerdem, dass ihm Gelegenheit gegeben werden muss, die prüfungsrelevanten Werkzeuge, Prüfmittel, Software und technische Einrichtungen vor der Prüfung kennen zu lernen.

Die Bearbeitung der Arbeitsaufgabe einschließlich deren Dokumentation ist mit 70 und das Fachgespräch mit 30 Prozent zu gewichten.

Teil B der Prüfung besteht aus drei Prüfungsbereichen:

Arbeitsplanung
Anlagenanalyse sowie
Wirtschafts- und Sozialkunde

wobei der letzte Bereich natürlich nicht neu ist.

Durch die Schneidung der Fachtheorie des Berufs in die beiden erstgenannten Bereiche ist die bisherige unselige, weil künstliche Aufteilung der Fachtheorie in die drei Fächer Technologie, Arbeitsplanung und Technische Mathematik endlich vom Tisch.

Der Prüfungsbereich Arbeitsplanung trägt den gleichen Titel wie das noch geltende Prüfungsfach Arbeitsplanung, ist inhaltlich jedoch unterschiedlich. Heute kommt es uns bei der Planung der Arbeit mehr auf analytische, vorausschauende Fähigkeiten an als darauf, z.B. irgendwelche Abwicklungen aufs Papier zu bringen, die in der betrieblichen Praxis aus Kostengründen so gut wie nie vorgenommen werden. Statt dessen ist in höchstens 150 Minuten ein Arbeitsplan zur Montage und Inbetriebnahme einer Anlage oder eines Teils davon anzufertigen, der alles das enthalten muss, was die berufliche Praxis vom Gesellen fordert.

Der Prüfungsbereich Anlagenanalyse verlangt vom Prüfling in höchstens 150 Minuten die Qualifikation, Fehler und Störungen in Anlagen systematisch einzugrenzen, die Ursachen festzustellen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten.
Mit diesem Prüfungsbereich betreten wir Neuland, doch sei darauf hingewiesen, dass in anderen neu geordneten Berufen, die ähnliche Dienstleistungs- und Kundenorientierung aufweisen wie unser Beruf, diese Qualifikation längst zum Ausbildungs- und damit zum Prüfungsstandard gehört.  Somit schließen wir lediglich eine Lücke, die eigentlich seit langem zu den Defiziten unserer Ausbildung und Prüfung gehört.

Die Gewichtung der drei Prüfungsbereiche beträgt für Arbeitsplanung und Aufgabenanalyse jeweils 40% und für den 60-minütigen Bereich WiSo 20%. Einen Sperrbereich, wie es bisher das Prüfungsfach Technologie darstellt, gibt es nicht, so dass Bereichsleistungen untereinander ausgleichbar sind. Dafür gibt es die mündliche Ergänzungsprüfung weiterhin, da diese sich in der Vergangenheit durchaus bewährt hat und für viele eine letzte Chance darstellte, die Prüfung letztlich doch noch erfolgreich ablegen zu können.

Das Bestehen der Prüfung setzt jeweils in den Teilen A und B mindestens ausreichende Leistungen voraus.

Nicht neu doch durchaus erwähnenswert ist § 10 des Verordnungstextes mit der Übergangsregelung, die es ermöglicht, bestehende Berufausbildungsverhältnisse auf die neue Verordnung umzuschreiben. Dies natürlich nur, wenn die Vertragsparteien es wünschen und vereinbaren.
Vorteile in der Übernahme der neuen Verordnung in bestehende Berufsausbildungsverhältnisse sehen wir einmal in der Erlangung der neuen, modernen Berufsbezeichnung, vor allem jedoch beim Erlernen der neuen Ausbildungsinhalte, die den frisch gebackenen Gesellen bzw. Facharbeiter u. a. nun sogar in die Lage versetzt, endlich auch elektronische und elektrisch betriebene Komponenten seiner Anlagen und Systeme selbst anschließen und warten zu können. Unter gewissen Umständen, z.B. wenn sein Ausbildungsbetrieb einen Elektromeister beschäftigt und dieser ihn entsprechend ausbildet, kann ihm von seinem Chef sogar die Funktion "Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten in der Gebäude- und Energietechnik" verliehen werden.
Als festgelegte Tätigkeiten gelten gleichartige, sich wiederholende Arbeiten an elektrischen Betriebsmitteln. Grundsätzlich sind diese Arbeiten nur in frei geschaltetem Zustand durchzuführen. Die Arbeiten umfassen z.B. das An- und Abklemmen von Motoren oder das Ersetzen von Anschlussleitungen an Elektrogeräten.
Ein weiterer Vorteil für das Umschreiben alter Ausbildungsverträge könnte die neue Prüfungsstruktur sein: Das Wegfallen des Prüfungsfachs Mathematik wird nicht wenige Prüflinge in bessere Stimmung versetzen können und manch einer kann im Fachgespräch sicherlich mehr Leistung bringen als beim Verformen und Fügen von Blech und Rohr.

2. Neues im Ausbildungsrahmenplan

Der Ausbildungsrahmenplan stellt zunächst lediglich eine Anlage zu der eigentlichen Verordnung dar, doch die wirklichen und wesentlichen Neuerungen des neuen Berufs „Anlagenmechaniker für Gebäude- und Energietechnik“ stecken in eben dieser Anlage. Vorab sei gesagt, dass das BiBB plant, mit Hilfe einiger der Sachverständigen und Mitgliedern aus der Rahmenlehrplankommission der Kultusministerkonferenz rechtzeitig zum Inkrafttreten des neuen Berufs am 01. August 2003 eine Umsetzungshilfe für die Ausbildung in Betrieb und Schule heraus zu bringen. Diese Hilfe wird sich auch mit Vorschlägen zur Gestaltung der Prüfungen befassen.

Daher wollen wir im zweiten Teil der Vorstellung auch nur kurz auf die Neuerungen bei den Ausbildungsinhalten eingehen.

Nicht völlig neu doch wesentlich ausgeweitet ist die Ausbildung im Bereich des Schutzes der Umwelt bei Planung, Bau und Betrieb der versorgungstechnischen Anlagen und Systeme. Und selbst nach Ablauf der Anlagennutzungsdauer soll die Ausbildung noch Wert und Augenmerk darauf legen, was mit den ausgebrauchten Anlagenkomponenten geschehen soll bzw. darf: Recycling oder Deponie.

Völlig neu ist die Einbeziehung des Nachhaltigkeitsgedankens in die berufliche Erstausbildung. Unter nachhaltiger Entwicklung verstehen wir Formen des Fortschritts, die den derzeitigen Bedürfnissen entsprechen. Das jedoch, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

Inhaltlich bedeutet das, wir müssen mehr Weit- bzw. Überblick entfalten und dringend versuchen, einen Ausgleich zu schaffen zwischen kurzfristigen und längerfristigen Wirkungen unseres beruflichen und gesellschaftlichen Handelns.  Die Ergebnisse unserer Arbeit - versorgungstechnische Systeme, Anlagen und Dienstleistungen - werden in Zukunft mehr als je zuvor daran gemessen  werden, ob sie Ressourcen schonend geplant, gebaut, betrieben und entsorgt werden können oder ob es sich um Energie fressende, Umwelt zerstörende Anlagen und Systeme handelt, die künftigen Generationen noch schwer zu schaffen machen werden.

Weiterer wichtiger Punkt ist die Anlehnung der Ausbildung an die Systemtechnik. Der Schlüssel zu einem besseren Verstehen von technischen Anlagen, technischen Problemen liegt unseres Erachtens im Systemdenken. Die Systemtechnik fördert die berufliche Handlungskompetenz, da sie den Lehrlingen die Möglichkeit bietet, ganzheitlich und selbstgesteuert zu lernen und somit zielgerichtetes berufliches Handeln zu erwerben. Gerade für lernschwächere Lehrlinge ist die Systemtechnik eine Methode, die Angst vor zunächst komplex erscheinenden Anlagen oder Umsetzungsprozessen abzubauen und deren Verstehen zu erleichtern.

Neu ist ferner die deutliche Ausrichtung der Ausbildung an realen Kundenaufträgen. Das haben wir bereits oben bei den Prüfungen angedeutet. Diese Kundenorientierung muss sich wie der berühmte rote Faden durch die gesamte Ausbildung ziehen. Der Lehrling muss lernen, dass die von ihm erbrachte Leistung eine Dienstleistung ist, die er ständig aufs Neue den Kunden verkaufen muss. Was nur gelingt, wenn diese Leistung bestimmten Standards entspricht. Dazu gehört zwingend auch die Fähigkeit der Kommunikation mit Kunden, aber auch mit Kollegen und Vorgesetzten. Ebenso muss er lernen, seine Arbeit im Voraus zu planen und zu steuern und das Ergebnis zu kontrollieren und zu bewerten. Daraus und aus der Anwendung des betriebsspezifischen Qualitätsmanagementsystems entwickelt der Lehrling seine Berufsfähigkeit. Dazu wird auch der Umgang mit PC und branchenüblicher Software gehören.

Eine ganz wichtige Neuerung betrifft den Erwerb der Qualifikation zur Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten in der Gebäude- und Energietechnik bei bestandener Abschlussprüfung. Dieser ellenlange Titel drückt aus, das ein nach Neuordnung ausgebildeter Geselle endlich das tun darf, was ein guter Fachmann zwar bisher auch schon getan hat. Nämlich an der Elektrik der Anlage zu arbeiten, dies jedoch immer verbunden mit ein wenig Angst oder schlechtem Gewissen vor der Berufsgenossenschaft. In Zukunft kann er ganz beruhigt alle im Zusammenhang mit seiner Anlage stehenden Elektroarbeiten selbst ausführen! Dadurch wird er für seinen Betrieb noch besser einsetzbar: Leistung aus einer Hand lautet ja wohl des entsprechende Schlagwort.

Ein weiteres völliges Novum stellt die Berücksichtigung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen innerhalb der Ausbildungsinhalte dar: Der Lehrling soll lernen, betriebswirtschaftliche Grundsätze hinsichtlich der Personalkosten, der Materialkosten und der Montagezeiten zu berücksichtigen und anzuwenden und somit z.B. auch in der Lage sein, Anschlussaufträge zu akquirieren.

Der letztbeschriebene Punkt gehört zu den so genannten neuen Fachaufgaben, die in einem oder mehreren der vier beruflichen Handlungsfelder Gegenstand der Berufsausbildung sein werden. Mit Fachaufgaben meinen wir Qualifikationen, die einen deutlich höheren Stellenwert aufweisen als eine „normale“ Qualifikation wie beispielsweise das Fügen von Rohrleitungen durch Pressen oder Löten. Es handelt sich dabei sozusagen um übergeordnete Steuerlernziele, die – wenn der Lehrling sie erlernt hat – ihn in die Lage versetzen, seine Arbeiten besser, effizienter und auch kundenfreundlicher zu verrichten.

Nicht zuletzt diese Fachaufgaben (s. lfd. Nrn. 16.1 bis 16.4 des Ausbildungsrahmenplans Abschnitt) sind es, die die Ausbildung zu einem modernen Beruf ermöglicht, der an den momentanen und zukünftigen Erfordernissen eines noch schwieriger werdenden Marktes orientiert ist.

Fazit

Wir acht Bundessachverständige mit den beiden Koordinatoren, zwei Vertreter des BiBB sowie jeweils ein Angehöriger aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bzw. für Bildung und Forschung haben innerhalb eines Jahres aus den uns vorgelegten, unveränderbaren Eckpunkten einen neuen Beruf kreiert. Heraus gekommen ist ein Kompromiss - was sonst.

Kompromisse bedeuten immer, einiges ging der einen Gruppe nicht weit genug, anderes ging der anderen Gruppe zu weit, wieder anderes ließ der Verordnungsgeber nicht zu, usw. usw.

Das Ergebnis des Kompromisses liegt nun vor und wir hoffen, dass der neue Beruf – hier noch einmal die Berufsbezeichnung: Anlagenmechaniker für Gebäude- und Energietechnik – zum 1.8.2003 in Kraft treten kann. Mehr noch hoffen wir, dass er und der parallel erarbeitete schulische Rahmenlehrplan von den Lernorten angenommen und umgesetzt wird. Eine Interpretations- und Umsetzungshilfe wollen wir rechtzeitig zuliefern, so dass die Umsetzung möglicherweise leichter fällt.

Wir wünschen allen an der Ausbildung beteiligten Menschen und Institutionen – Lehrlingen, Gesellen, Meistern, überbetrieblichen Ausbildungsstätten, Kammern, Berufsschullehrern - eine glückliche Hand und somit optimalen Erfolg bei der Umsetzung des neuen Berufs.

 

Quelle: SHT 2/2003